Beeinträchtigungen der Sinneswahrnehmungen

Viele Betroffene beschreiben im Rahmen der Depersonalisationserkrankung auch Beeinträchtigungen ihrer Sinneswahrnehmungen. In den meisten Fällen sind Sehen, Hören und/oder Fühlen/Spüren eingeschränkt. Wie bereits angemerkt, handelt es sich hierbei nicht lediglich um ein Gefühl, dass ein gewisser Sinn eingeschränkt wäre, stattdessen erleben die Betroffenen die Einschränkung tatsächlich in einer Beeinträchtigung des jeweiligen Sinnes.

Sehen
Sie meisten von Depersonalisation Betroffenen leiden unter Beeinträchtigungen im Sehen. Ihre Sicht ist durch Nebel oder einen Schleier erschwert. Manche sehen auch Flecken, Punkte oder „Grisseln“ vor den Augen. Zumeist ist die Sicht auf ein bestimmtes Sichtfeld eingeengt (Tunnelblick), die Ränder werden nur verschwommen, undeutlich oder auch gar nicht wahrgenommen.

Zudem beschreiben viele Betroffene Einschränkungen im perspektivischen Sehen. Die Umwelt wird von ihnen eher zweidimensional wahrgenommen. Dinge können aus diesem Grund auch weiter weg oder näher da erscheinen, sie können größer oder kleiner wirken, als sie tatsächlich sind. Zudem werden von einigen Betroffenen Veränderungen in der Farbintensität der Dinge angegeben.

Für viele Betroffene führen die Einschränkungen auf der visuellen Ebene dazu, nur unter großen Anstrengungen sehen, das heißt die Umwelt wahrnehmen zu können. Ihre Orientierung im Raum ist erschwert, Entfernungen können nur noch schwer eingeschätzt werden. Ebenso kommen optische Täuschungen vor, da etwa Schatten im Augenwinkel nicht richtig gedeutet werden können. Oft können die Betroffenen Dinge oder Personen erst sehr spät erkennen. Viele Betroffene sind gangunsicher, haben Angst, irgendwo anzustoßen oder zu stürzen. Die Teilnahme am Straßenverkehr kann deutlich eingeschränkt sein.

Besonders bei schlechten Lichtverhältnissen, in der Dämmerung/Nacht oder mit geschlossenen Augen verschlechtert sich die Depersonalisationssymptomatik oft, da dann die visuelle Fähigkeit noch geringer ist.

Manche Betroffene beschreiben die visuellen Einschränkungen als so gravierend, dass sie das Gefühl haben, blind zu sein, obwohl sie sehen können.

Die Augen selbst werden von den Betroffenen oft als starr und wenig beweglich empfunden. Die beständige Überanstrengung der Augen führt zu Augen- oder Kopfschmerzen. Das betrifft vor allem Personen, die in ihrem Berufsleben eher visuell arbeiten und sich dabei wenig körperlich bewegen (wissenschaftliches Arbeiten, Arbeiten am PC …). Viele Betroffene versuchen, ihre Augen dadurch zu entspannen, dass sie sehr oft nach innen, ins „Narrenkästchen“, blicken. Kurzfristig vermag dies zwar die Augen zu entspannen, dieser Vorgang verstärkt auf Dauer aber das Gefühl der Entfremdung von der Umwelt. Hierzu kommt, dass viele Betroffenen mehr damit beschäftigt sind, sich selbst zu beobachten, als die Umwelt um sich herum wahrzunehmen. Auch das verstärkt das Gefühl des Abgespaltenseins.

Tools:
Betroffene von Depersonalisation beschreiben es oft als hilfreich, wenn es ihnen gelingt, vom „nach Innen blicken“ wegzukommen und die Außenwelt tatsächlich wahrzunehmen. Dazu ist es gut, die Augen in Bewegung zu halten und nicht über längere Zeit starr auf eine Stelle zu schauen.

Eine gute Methode, um wieder mehr ins Außen zu kommen, ist es, sich verschiedene Gegenstände oder Punkte im Raum in unterschiedlicher Entfernung (weit weit, einige Meter entfernt, sehr nah) zu suchen und diese nacheinander mit den Augen zu fixieren. Dabei ist es wichtig, sich Dinge mit scharfen Konturen oder auffälliger Musterung zu suchen und die Augen auf diese auch wirklich scharf zu stellen. Es sollte keine durchgehende Linie von Gegenstand zu Gegenstand gezogen werden, sondern die Augen sollten eher im Stakkato über die drei Gegenstände bewegt werden, wobei jeder Gegenstand für eine Weile wirklich fixiert wird. Diese Übung hilft auch gegen die störende Zweidimensionalität der Umwelt, die einige Betroffene erleben.

Sind die Augen von der andauernden Anstrengung, alles gut wahrnehmen zu können, sehr überanstrengend, nimmt das Gefühl der Augenstarre überhand, ist es hilfreich, die Augen für eine Zeit lang zu entspannen. Dafür können die Augen für einige Minuten mit den warmen Handflächen bedeckt werden. Auch das Aufsetzen einer sehr dunklen Sonnenbrille ist oft hilfreich, um die Augen zu entspannen, besonders bei anstrengenden Lichtverhältnissen (gleißendes Licht, Schnee etc.). Betroffene, die eine Brille aufgrund einer Sehschwäche tragen, beschreiben es oft als nützlich, diese für eine kurze Zeit abzunehmen, um ihren Augen dadurch etwas Entspannung zu verschaffen.

Stress spielt eine entscheidende Rolle bei der Beeinträchtigung des Sehsinns. Kann Stress vermieden werden oder ist es möglich, sich immer wieder für kurze Zeit zurückzuziehen, verbessert sich zumeist auch das Sehvermögen.

 

Hören
Für viele Betroffene von Depersonalisation klingen Geräusche dumpf. Aus diesem Grund haben sie häufig Schwierigkeiten, eine Geräuschquelle richtig zu lokalisieren. Oft müssen sie zweimal hinhören, bis sie wissen, woher ein Geräusch kommt. In Gesprächen fragen sie häufig nach, ehe sie jemanden richtig verstanden haben. Das kann Scham hervorrufen, so dass die Betroffenen Gesprächen ausweichen.

Einige Betroffene erleben auch die eigene Stimme oder andere Geräusche als verändert, in einigen Fällen als so sehr verändert, dass sie sie nicht mehr erkennen können. Für manche von ihnen dringen Geräusche von außen so wenig zu ihnen durch, dass sie das Gefühl haben, taub zu sein, obwohl sie hören können.

Tools:
Ebenso wie beim Sehen ist es auch bei Beeinträchtigungen im Bereich des Hörens für Betroffene hilfreich, sich der Reihe nach auf verschiedene Geräusche der Außenwelt zu konzentrieren. Dabei sollten 3-4 Geräuschquellen unterschiedlicher Distanz ausgewählt werden, die immer wieder nacheinander mit besonderer Aufmerksamkeit gehört werden.

Sind die Ohren besonders überanstrengt, hilft es Betroffenen auch, die Ohren für kurze Zeit mit den warmen Handflächen zu bedecken.

 

Fühlen/spüren/schmecken
Betroffene von Depersonalisation tun sich aufgrund ihres veränderten Körpererlebens häufig schwer, ihre Körpergrenzen richtig wahrnehmen zu können. Für sie kann es schwierig sein, zu unterscheiden, was zum eigenen Körper gehört und was nicht. Schöne Gefühle, etwa ausgelöst durch Berührungen, oder auch Missempfindungen aus dem eigenen Körper können von ihnen häufig nicht richtig gespürt werden. Einige Betroffene berichten auch, dass ihr Schmerzerleben deutlich herabgesetzt ist und sie Schmerz kaum mehr wahrnehmen können.

Auch die Tastfähigkeit kann eingeschränkt sein, so dass sich Betroffene oftmals schwer tun, Strukturen von Gegenständen richtig zu ertasten. Andere berichten, dass sie seit ihrer Erkrankung kaum mehr etwas schmecken können. Alle Speisen und Getränke kommen ihnen fad vor.

Tools:
Die beste Möglichkeit, Beeinträchtigungen im Bereich des Spürens abzumildern, sind nicht zu sanfte Massagen des gesamten Körpers, entweder selbst oder durch eine andere Person durchgeführt. Der gesamte Körper sollte abgeklopft oder geknetet werden.

Beeinträchtigungen im Bereich des Tastens können Betroffene durch das gezielte Berühren von Gegenständen unterschiedlicher Materialien und Strukturen begegnen.

Im Bereich des Schmeckens ist es für Betroffene hilfreich, bewusst unterschiedliche Geschmacksrichtungen zu erleben, z.B. Kräuter pur zu essen oder verschiedene Obstsorten, von süß bis sauer, durchzutesten.