Körpererleben/Ich-Erleben

Körpererleben und Ich-Erleben sollen hier gemeinsam betrachtet werden, da für viele Menschen der Körper als Gefäß oder Heim des Ich empfunden wird. Das veränderte Körpererleben im Rahmen der Depersonalisationserkrankung führt bei vielen Betroffenen auch zu einem veränderten Ich-Erleben.

Viele Betroffene fühlen sich losgelöst von ihrem Körper. Sie erleben eine große Distanz zu ihrem Körper. Wenn der Körper etwas tut, sich bewegt oder spricht, kommt es ihnen vor, als handle ein Roboter. Oft haben die Betroffenen aus diesen Gründen auch das Gefühl, ihr Körper sei wie gelähmt. Sie glauben, nicht mehr reagieren zu können, selbst wenn sich in ihrer Umgebung etwas Schlimmes ereignen sollte.

Viele Betroffene klagen darüber, dass sie sich im Spiegel nicht mehr erkennen können. Auch wenn sie wissen, dass sie selbst es sind, der/die ihnen entgegenblickt, können sie dieses Bild nicht mehr zuordnen.

Einige beschreiben sich als vollkommen in das Innere ihres Körpers zurückgezogen. Andere dagegen empfinden sich selbst als bis über ihre Körpergrenzen hinweg ausgebreitet. Im extremen Fall kann dies dazu führen, dass Betroffene keine Subjekt-Objekt-Grenzen mehr wahrnehmen können. Sie können nicht mehr unterscheiden, ob sie selbst es sind, der/die etwas berührt oder ob sie das Objekt sind, das sie berührt. Die Undefinierbarkeit des Ich führt bei manchen dazu, sich selbst als von Zerfall bedroht oder sogar schon als fragmentiert wahrzunehmen.

In einigen Fällen kommt es auch zu Phänomenen außerkörperlicher Erfahrungen. Die Betroffenen können sich selbst von außen sehen oder nehmen sich selbst doppelt wahr als zweite, aber identische Person. In einigen Fällen ist hiermit auch eine doppelte Sichtperspektive (quasi einmal von innen und einmal von außen) verbunden.

Dass das Ich nicht mehr richtig im Körper verortet werden kann, ist für viele Betroffene eine der schlimmsten Erfahrungen im Rahmen ihrer Erkrankung.

Tools:
Gegen das roboterhafte Gefühl beschreiben es viele Betroffene als hilfreich, nicht allzu viel darüber nachzudenken oder sich gar deswegen in endlosen Grübeleien zu versenken. (Dauerbeschäftigung Depersonalisation) Statt dessen machen sie die Erfahrung, dass sie sich auf ihren Körper verlassen können und vertrauen darauf, dass dieser auch in schwierigen Situationen richtig handelt. Instinkte und Reflexe funktionieren auch bei Menschen mit Depersonalisation.

Als besonders hilfreich beschreiben Betroffene jene Tools, die die Verbindung zum eigenen Körper stärken oder wieder herstellen. Da von vielen Betroffenen Depersonalisation in erster Linie als „nicht richtig im eigenen Körper sein“ erlebt wird, können all jene Tools unterstützend wirken, durch die der eigene Körper, besonders die Körpergrenzen, bewusst wahrgenommen werden.

Dies kann durch das kalte oder warme Abduschen und Abreiben mit einem Massageschwamm geschehen. Auch eine Massage, selbst durchgeführt oder auch durch eine andere Person vorgenommen, kann als hilfreich erlebt werden. Wichtig ist es, hierbei nicht allzu sanft vorzugehen, sondern eher etwas kräftiger (kneten, drücken, klopfen) zuzugreifen und den gesamten Körper zu bearbeiten.

Viele Betroffene schildern sportliche Betätigung als sehr hilfreich, um sich selbst wieder besser im eigenen Körper zu spüren. Die Sportarten, die als hilfreich erlebt werden, sind dabei so unterschiedlich wie die Menschen. Besonders oft werden Yoga, Joggen oder auch Mannschaftssportarten wie Basketball genannt.

Grounding oder Erdung beschreibt unterschiedliche Methoden, die dazu dienen, den eigenen Körper wieder besser zu spüren und sich wieder mit diesem in Verbindung zu setzen. Dieses Thema umfassend darzustellen, würde den Rahmen der Website sprengen. Barfuß über unterschiedliche Böden gehen, sich Steine in die Schuhe legen oder ein bewusstes Atmen sind nur einige Beispiele. Entschleunigung ist hierbei ein wichtiges Stichwort, sich bewusst Zeit zu nehmen,um sich selbst und die Umgebung zu spüren.

In eine ähnliche Richtung geht die Achtsamkeitsmeditation. Bei dieser sitzt oder liegt die Person ruhig da, konzentriert sich auf ihren Atem und lässt die Gedanken vorüber ziehen, ohne sich durch diese stören oder beeindrucken zu lassen. Hierzu gibt es zahlreiche Anleitungen in Büchern oder CDs. Mittlerweile können auch frei verfügbare Anleitungen im Internet oder mittels spezieller Apps gefunden werden.

Das Autogene Training ist eine weitere Methode, den eigenen Körper gut wahrnehmen zu können. In Gedanken geht die Person ihren eigenen Körper durch und versucht, durch ein bewusstes Entspannen in einen Zustand tiefer Ruhe hinein zu kommen. Auch hierfür lassen sich zahlreiche Anleitungen finden. Nach einer Weile kann das Autogene Training dann alleine ohne Anleitung durchgeführt werden.

Eine weitere Methode ist die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen. Hier wird die Entspannung des Körpers durch eine gezielte An- und Entspannung jedes einzelnen Körperteils oder zusammenhängender Muskelgruppen erreicht. Die Progressive Muskelrelaxation ist Menschen, die unter Depersonalisation leiden, häufig angenehmer als das Autogene Training oder andere stark meditative Methoden, da hier nicht so sehr die Gefahr des „Abdriftens“ besteht.

Auch der Bodyscan ist eine Übung, in der die Person in Gedanken nacheinander aufmerksam durch ihren gesamten Körper geht und jede einzelne Region bewusst wahrnimmt. Ein komplett durchgeführter Bodyscan dauert in etwa eine halbe Stunde. Anleitungen hierzu gibt es zahlreiche, auch frei verfügbar im Internet.

All diese Übungen können dazu beitragen, den eigenen Körper wieder mehr zu spüren und mit diesem wieder besser in Kontakt zu kommen. Wichtig ist es, die ausgewählte(n) Übung(en) über einen längeren Zeitraum regelmäßig, am besten jeden Tag, zu praktizieren, um einen positiven Effekt auf die Depersonalisationssymptomatik feststellen zu können.